Meine Kreisgeschichte
von Martin
Ich war ein kleiner Weltenbummler, doch innerlich fühlte ich mich leer. Nach fast zwei Jahren auf Reisen durch Australien, Südostasien und Europa, bin ich wieder in Deutschland sesshaft geworden. Ich hatte wunderschöne und horizontsprengende Erfahrungen gemacht, doch irgendetwas fehlte. Nachdem ich schon eine Weile zurück war, merkte ich, wie ich in einen Alltagstrott kam und dass mich zusätzlich noch altbekannte Probleme, Krankheiten und erdrückende Gefühlszustände einholten. Starke Hautprobleme (Neurodermitis), die während der Reisen völlig verschwunden waren, tauchten nach nur zwei Wochen im gewohnten Umfeld wieder auf.
Ich war auf der Suche, nach mir selbst. Nach dem warum ich hier bin. Ich wollte die transformierenden Erkenntnisse, Eindrücke und Erfahrungen, die ich in der Zeit, in der ich unterwegs war, gemacht hatte, in mein Leben integrieren.
Meine Eltern fragten hingegen, was ich nun mit Mitte 20 mit meinem Leben anfangen würde, ob ich denn nicht einen richtigen Job annehmen oder einen höheren Studienabschluss anstreben wolle. Ich war jedoch innerlich so weit gereift, dass ich wusste: Es gibt mehr für mich als irgendeinen Job, in dem ich Ziele anderer abarbeite.
Druck und Verzweiflung plagten mich. Die starken Hautprobleme waren nur ein Anzeichen dafür, dass ich mich in meiner Haut nicht wohlfühlte. Der Kontakt mit anderen Menschen fiel mir schwer. Ich spürte starke Unzufriedenheit mit mir selbst und mit meinem Leben. Ich wollte meinen wirklichen Platz in der Welt finden und endlich wieder glücklich sein.
Meine Pläne, mit einem Zwischenjob genug Geld zu verdienen und weiter auf Reisen zu gehen, scheiterten. Ich konnte vor mir selbst nicht mehr davon laufen, von dem was ich wirklich wollte, vor dem was ich wirklich fühlte. Statt weiter zu reisen, war es dran anzukommen und neue Entscheidungen zu treffen. Ich stand an einem Punkt, an dem es nicht mehr weiterging.
Daraufhin lernte ich Mia kennen. Sie zeigte mir eine völlig neue Welt. Eines Abends saß ich bei ihr in der Küche und bemerkte, dass ich trotz all des Schmerzes, der auf mir lastete, nicht weinen konnte. Fest entschlossen sagte ich: So will ich nicht mehr weiter leben! Es muss sich was ändern! Ich muss mich ändern!
Kurz darauf lernte ich die Methode des Redekreises kennen. Heiko kam zu uns mit einigen Filmaufnahmen von einem indigenen Stammesältesten aus Nordamerika. Wir sahen Manitonquat und seine Frau Ellika, die uns aus dem Herzen sprachen. Ich war noch nie so tief berührt von Worten und fühlte mich sehr verstanden. Ich entdeckte eine Sehnsucht in mir, nach dieser ursprünglichen Liebe und tiefen Verbundenheit. Ich wollte mich vollständig fühlen und lernen mich ganz zu akzeptieren, mit allem was ist. Zu fühlen was in mir vorgeht und z.B. wieder weinen zu können. Ich sah, dass ich nicht allein war. Ich spürte die Kraft die darin liegt mich in einem Raum, in dem mir empathisch und wertfrei zugehört wird, mit meinen Gefühlen und Problemen zu zeigen. Das erste Mal im Leben fühlte ich mich wirklich gesehen und aufgehoben.
Heiko wollte einen Dokumentarfilm über Manitonquat und den Weg des Kreises (Circle Way) machen – über die Kraft die darin liegt. Er fragte Mia und mich, ob wir dabei seien. Zusammen mit weiteren Freunden stellten wir ein Crowdfunding auf die Beine, bei dem uns mehrere hundert Menschen mit insgesamt 20.000€ für dieses Projekt unterstützten.
Ich stand an einem Scheideweg. Sollte ich mein Philosophiestudium fortsetzen und den Weg gehen, der von meinen Eltern gewünscht war, oder sollte ich mich voll dem Projekt widmen? Zwei Tage lang war ich gelähmt und kam nicht mehr aus dem Bett raus. Dann traf ich die Entscheidung meinem inneren Antrieb zu folgen, ohne zu wissen wohin es führen würde.
Während dee Drehtouren lernten wir interessante Methoden und Menschen kennen. Wir arbeiteten unter anderem mit Redekreisen, Co-Counseling, Gewaltfreier Kommunikation, Possibility Management und Community Building. Durch verschiedene Prozesse kam ich intensiver mit meinen Gefühlen in Kontakt Ich lernte wieder zu fühlen, was für mich ebenso wie für viele Menschen in dieser Gesellschaft ungewohnt war. Zunächst war ich vom Fühlen der alten Verletzungen und Emotionen überfordert. Ich schrie, weinte und zitterte – und lernte, dass das ein natürlicher Ausdruck von Gefühlskräften ist. Jedem im Team ging es ähnlich und jedeR hatte eigene Themen. Wir wussten nicht, was für Fässer wir damit aufmachten. Wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten. Schon während der ersten Drehtour kam es zu einem ersten Bruch. Es fiel uns schwer den Fokus zu setzen und das Team stand mehrfach vor dem Aus. Drei Jahre beschäftigten, experimentierten und lernten wir. Wir schrien uns an, verzweifelten, doch wir wuchsen auch alle persönlich und konnten neu gelernte Methoden innerhalb des Teams anwenden. Dennoch trennten Mia und ich uns schließlich.
Nach einem sechsmonatigen Stillstand trafen wir uns wieder. Wir erneuerten unsere Verpflichtung das Filmprojekt gemeinsam abzuschließen – und nicht nur das. JedeR ging durch seine eigenen Prozesse und machte seine eigenen Erfahrungen. Ich lernte im Team zu arbeiten, ein Projekt zu planen und umzusetzen, Film- und Medientechnik zu bedienen, und vor allem: Ich lernte meine Gefühle zu verstehen, sowie die Kraft die darin liegt für mein Leben zu nutzen. Mein Verstand verband sich mit meinem Herzen.
Der Weg dahin war sehr mühsam und die Erkenntnisse weitreichend. Ich verspürte das Bedürfnis, diese Erfahrungen und all die Methoden die ich kennengelernt hatte, mit anderen Menschen zu teilen. Wir initiierten unsere eigenen Redekreise und begannen eigene Seminare zu entwickeln. Wir verbinden Bausteine und Methoden verschiedener Mentoren mit eigenen Erkenntnisse zu einem riesigen Erfahrungsspektrum. Dieses stelle ich heute in den Dienst der Transformation und berate Menschen, die ihre Liebe und tiefe Verbindungen wieder entdecken wollen. Menschen, die – wie ich einst – auf der Suche sind und von Krankheiten, Druck, Isolation und Verzweiflung geplagt sind. Menschen die sich privat und beruflich, emotional und energetisch weiterentwickeln wollen.
Ich habe große Teile meiner Berufung – meiner Essenz – entdeckt. In einem Team arbeite ich an einem großartigen Filmprojekt. Ich halte Räume und unterstütze Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung. Ich fühle mich vollständig und liebe mich wie ich bin. Die Neurodermitis ist fast weg. Meine Beziehungen sind tief und erfüllend. Mit Entdeckerfreude und Lebenslust bin ich gespannt darauf, wo der Weg meines Herzens mich als nächstes hinträgt.
Martin