(M)eine Kreisgeschichte(n)

[M]eine Kreisgeschichte (29)

Martin kam alsbald auf die Idee die örtliche Gemeinde der Ba-Hai aufzusuchen, sie hätten in der Nähe einen für jeden zugänglichen Gedenkraum errichtet. Er hielt es für einen geeigneten Drehort. Wir beschlossen, zu Fuß dorthin zu wandern.

Als wir das Ortsschild erreichten, fuhr der Camper an uns vorbei. Circa fünf Minuten später kehrte er zurück, um Martin und mich aufzunehmen. Heiko erklärte uns den aktuellen Plan als auch die emotionalen Befindlichkeiten der “anderen Teamhälfte”.

Die Lage war mehr als angespannt. Irgendwie fühlte ich mich als würden wir zu unserer Hinrichtung, beziehungsweise, dem letzten Verhandlungstag geführt. Der Plan war es, als Krisenintervention, verschiedene Kreise durchzuführen. Je einen Kreis für jeweils eine “betroffene Partei”, ohne Anwesenheit der jeweils anderen.

Paul eröffnete die erste Runde, indem er seinen Wunsch äußerte, wie in einem ZEGG-Forum in die Mitte des Kreises zu gehen und allen Gefühlen Raum zu geben, die sich zeigen wollten. Es war das bisher erste und einzige Mal, dass ich Paul bei einem intensiven Gefühlsausbruch erleben durfte. Wir begannen mit drei Runden. Anschließend wurde eine Person gebeten, den Kreis zu verlassen und die zweite Person wurde gehört.

In diesen ersten zwei Stunden ging es noch um Lösungsfindung. Es war nachmittags und obgleich der Sommer anhielt, war bereits das allmähliche Kühlerwerden des nahenden Herbstes spürbar.

Es wurde absehbar, dass weitere Kreise erforderlich wären um irgendwie aus dieser Situation in eine Konstruktivere zu wechseln.

Nacheinander besichtigte jeder einzeln das „Spaceship“ der Bahai um einen Ort der Ruhe und inneren Einkehr zu finden. Alsbald trafen wir uns erneut zu einer weiteren Runde von Kreisen. Mit einem Redestab ausgerüstet sprachen wir uns endlich aus. Jeder durfte sich das von der Seele reden, was gerade herauskam. Wurde der Kreis zur Diskussion unterbrach Heiko mediativ und fasste erneut die Sachlage und das aktuell Gesprochene zusammen. Der Abend verging in ergebnislosen Kreisen.

Wir waren in unserem eigenen, echten Prozess angekommen. Wir saßen dort auf der Wiese bis die nasse Kälte der Nacht uns in die Betten drängte. Erschöpft verkrümelte sich jeder in sein Zelt. Martin und ich lagen, diesmal gemeinsam in einem Zelt, noch einige Zeit wach und halfen einander über das Geschehene zu entlasten.

Am nächsten Morgen trafen wir uns wieder auf der Wiese. Wortarm saßen wir beisammen und begannen den ersten Kreis mit einer Danksagung. Es war wohl für jeden von uns wichtig an diesem Punkt diese Worte, die da gerade von Heiko gesprochen wurden, zu hören. Es war wichtig zu hören, dass wir einen weiten Weg hinter uns hatten und was wir bereits gemeinsam erreicht hatten. Gleichzeitig eröffnete Heiko das Anliegen, dass wir zeitnah zum Irlandcamp aufbrechen und somit eine Lösung finden müssten.