Interview mit Zauberfrau Sookee (2012)

Verehrte ZuseherInnen schön, dass Ihr erneut zu einer weiteren Folge „Female Businesses“ auf Zauberfrau.tv eingeschalten habt. Heute war ich für Euch musikalisch unterwegs und habe Zauberfrau Sookee getroffen.

Hast oder hattest Du Vorbilder?

„Ja also, wie gesagt, es gab immer so vereinzelt Leute, die ich toll fand, die ich bewundert habe für das, was sie sich getraut haben, für das, was sie musikalisch umgesetzt haben, für die Texte, die sie geschrieben haben, für die Bühnenshows. Aber ich war nie so richtig Fan-Fan, wo ich dachte, wie die will ich sein. Also, das ist eher so ein Fragmenten-Ding, dass ich bei der einen das toll finde, bei dem anderen das toll finde, also, ab und zu, mir so ein bisschen Inspiration abpflücke. Oder einfach dann so ein Mosaik-Ding für mich daraus mache. Und na klar, du bist halt nie frei davon, dich von anderen Leuten beeinflussen zu lassen. Ohne das es jetzt geklaut ist was man da tut.

Und ich finde es total toll und wichtig irgendwie Orientierung zu haben. Aber so richtig Vorbilder, könnte ich jetzt niemanden, so direkt benennen. Aber ich meine, na klar hast du dann eine Amy Winehouse oder eine Nicky Minage und eine Lady Leesha und eine Missy Elliot. Keine Ahnung alle möglichen Soul und Popgrößen und Rock und Punk.“

Sookee

„Wie bist du zum Studium gekommen?“

„Also ich habe 2003, glaube ich, mein Abi gemacht und wollte unbedingt etwas Überfachliches studieren. Ich hatte irgendwie kein Bock auf diese Fachidiotie in eine Richtung. Sondern, ich wollte irgendwie was breiter Angelegtes um auch aus so einem Gefühl heraus, das irgendwie die Schule mir das verpasst hat ein anständiges Allgemeinwissen mitzugeben. Weil ich einfach viel von dem, was ich in der Schule wieder vergessen und verlernt habe. Weil das alles so mit Druck passiert ist. Es war einfach ausgesprochen ineffizient, das Lernen an der Schule, in den 13 Jahren. Und ich wollte einfach wissen.

Und deswegen habe ich einfach geguckt, was gibt es an überfachlichen Studiengängen? Und dann bin ich auf die Gender-Studies gestoßen. Die, sozusagen, in den verschiedenen Disziplinen verortet sind, die mit Geschlechter-sensiblen Themen, oder überhaupt sagen, die identitätskritischen Themen. Und dazu habe ich noch irgendwas mit Sprache machen wollen und habe mich dann für die germanistische Linguistik entschieden, also deutsche Sprachwissenschaft.

Ja, und das war dann, meine Fächerkombi. Und das war eine ziemlich glückliche Entscheidung, tatsächlich.

Auch wenn das total heftig ist, wenn man sich das erste Mal im Leben so explizit und bewusst auseinander setzt mit so Fragen, – Wie ist so eine Gesellschaft verfasst? Und wer hat welche Privilegien und wo gibt es Hierarchien, wo gibt es Unterdrückung?

Mit welchen Bildern laufen wir durch die Welt? Warum kann man eine Werbung so oder so lesen?

Wie kann man die als „so geil“ sehen, oder wie kann man sagen, was ist das für ein Bullshit?

Was sind das für Körperbilder? Was sind das für Frauenbilder?

Was sind das für Männerbilder? Warum ist das alles gefotoshopped?

Wieso soll ich die Scheiße kaufen, die damit beworben wird?“

„Was machen Frauen gemeinsam auf dem Klo?“

„Was machen Frauen auf dem Klo? Vermutlich pinkeln oder anderes. Vielleicht schminken sie sich, vielleicht gehen sie schnattern, vielleicht wollen sie einfach nur kurz Ruhe haben? Keine Ahnung, was Menschen auf dem Klo so tun. Es gibt ja dieses „Frauen gehen immer zusammen auf Klo Ding“.

Das ist vielleicht so eine Mini-Form von Schutzraum, oder Frauenraum einfach um kurz unter sich zu sein. Ich hoffe auf jeden Fall sie haben eine gute Zeit.

Ich finde das ja manchmal ein bisschen absurd, wenn Jungs oder Männer an diesen Piss-rinnen stehen oder an diesen, Pissoirs. Und sich dann heimlich beobachten und nicht dazu stehen. Macht das doch wenigstens offen: „Dürfte ich mal kurz gucken? Ja? Nein? Vielleicht?

Ach, Frauen auf dem Klo. Vielleicht haben sie auch Sex ich weiß es nicht.“

 „Gehst du noch arbeiten nebenbei?“

„Ja, also noch bis zum Herbst. Dann habe ich beschlossen, mich auf meine Musik zu konzentrieren und meinen Aktivismus.

Ich mache ansonsten viel Projekt-Krams und Fortbildungsangebote für Pädagoginnen und Pädagogen im Bezug auf Sexismus, Rassismus und Homophobie im Hip-Hop, sozusagen, weiter im Jugendbereich auch weiter Workshops und politische Bildung mit Jugendlichen direkt zu machen.

Das mache ich auch alles noch. Aber die reguläre Lohnarbeit fällt weg, tatsächlich, in Zukunft. Und ich probiere mich halt nur noch konkret auf alles, was sich um antifaschistische Politik, Queer, Feminismus, Pop, Bildungsarbeit, alternative Bildungsarbeit dreht. Dieses Schnittmengenfeld, was anders will ich eigentlich gar nicht mehr.“

   „Wolltest du schon immer Musikerin werden?“

„Nee, gar nicht. Das war echt so ein Zufallsprodukt. Ich weiß gar nicht. Ich glaube, ich wollte früher immer Lehrerin werden. Und dann habe ich aber so in den letzten Schuljahren einfach bewusster wahrgenommen, wie unglücklich ganz viele meiner Lehrerinnen und Lehrer sind. Das sie einfach in einem relativ straffen System arbeiten und irgendwie die Kopiervorlagen von vor 20 Jahren aus der Schublade ziehen und, dass von Kopiervorgang zu Kopiervorgang immer schwacher wird alles. Und das einfach viele geburnoutet waren und alles war krass.

Ich habe dann einfach beschlossen, dass ich doch nicht im staatlichen Bildungssystem Lehrerin sein will. Damals kannte ich mich noch nicht so aus, mit Alternativen. Ich war zwar selber auf einer Waldorfschule. Das war aber so ein bisschen mit Montessori das einzige was ich als Alternative kannte. Und habe mich dann aber trotz all dem nicht für das Lehramt entschieden und habe, dann andere Sachen studiert. Ich bin dann aber trotzdem an einer Schule gelandet und hatte eine Lehrgenehmigung für eine ganze Weile. Das heißt, ich bin, sozusagen, dem Berufswunsch, dann irgendwann, doch noch einmal nachgekommen, Jahre später.

Und das mit der Musik war einfach nur, ich bin halt irgendwann besser geworden und bekannter geworden. Leute haben mir die Möglichkeit gegeben aufzutreten. Und dann ist es einfach von alleine gewachsen. Also ich habe es nicht darauf angelegt. Ich habe keinen Gesangsunterricht genommen oder bei Labels Klinken geputzt. So etwas habe ich alles nicht gemacht, sondern, es ist einfach von sich aus alleine gewachsen. Was total schön ist, weil es damit auch eine ganz gute Geschwindigkeit hatte.

Ich bin jetzt 28 und ich bin ganz froh, dass ich nicht 20 bin und plötzlich in so einem DSDS-artigen Hype lande. Und plötzlich sehe ich meine Fresse auf jedem scheiß Boulevardblatt und muss damit umgehen, wenn Leute im Internet völlig auf mich trippen oder raus finden, wo ich wohne und dann da stehen und noch rum schreien. So etwas finde ich völlig weird. Das kann ich gar nicht verstehen, wie Leute sich das einfach verpassen, freiwillig. Also, das darauf anzulegen, Celebrity zu werden.

Ich finde das jetzt schon manchmal schwierig bekannt zu sein, oder etwas bekannt zu sein, weil manchmal auch Leute unentspannt sind und tatsächlich Fan-Tum so ganz dolle ausleben. Und deswegen verwende ich auch den „Fan-Begriff“, im Bezug auf die Leute, die meine Mukke hören nicht so gerne. Ich spreche lieber von Leuten, die supporten. Zum Beispiel, mein Ordner mit den „Fan-Mails“ heißt nicht „Fan-Mails“, sondern, „Welche, die es mögen“.

Ich finde das schon wichtig, dass es nicht so „Ikonen-förmig“ wird. Sondern Leute feststellen, okay, die kann jetzt zufällig Text schreiben und kriegt das alles ganz gut hin und macht das mit dem Entertainment auch ganz gut und hat auch inhaltlich was zu sagen. Und, „finde ich gut, kann ich unterstützen, gehe ich gerne auf das Konzert. Und kaufe auch gerne die Platte, oder auch nicht und will das supporten. Aber ich muss jetzt nicht kreischend durchdrehen. Das ist mir manchmal auch echt ein bisschen gruselig.

Aber ich find es schön, jetzt Musikerin zu sein. Obwohl, ich bin ja gar keine Musikerin, weil ich kann ja gar keine Musik weil ich kann ja nicht gut singen und ich kann auch nicht wirklich ein Instrument spielen. Deswegen, nenne ich mich immer eine „Ich-Schreibe.“Ich bin eine „Ich-Schreibe“

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„Musiker, mit denen du unbedingt zusammen arbeiten möchtest?“

„Peaches, natürlich. Das wäre großartig.“Ja, die lebt in Berlin aber ich trau mich ja nicht.“ Naja, die kriegt ja bestimmt am laufenden Band Anfragen und ich habe auch ein bisschen Schiss vor dem Fall, dass sie sagt, „Nee will ich nicht, das ist nicht so meins.“Oder, das sie einfach mit irgendwelchen anderen Sachen befasst ist oder, irgendwelche Managements dazwischen grätschen. Also ehrlich gesprochen ist Mail schon seit einem Jahr vorformuliert.“

„Also ich hoffe ja, dass wir das vielleicht im nächsten Jahr mal unternehmen können und fragen sie an. Ansonsten gibt es in Großbritannien ganz viele Rapperinnen, die ich unglaublich bewundere, die einfach unglaublich tolle Sachen machen. Ja, so ein bisschen international zu featurn wäre auf jeden Fall ziemlich toll. So für den deutsch-sprachigen Raum sind eigentlich alle auf die ich Bock habe, in greifbarer Nähe.

Andere Rapper und Rapperinnen, die ich kenne, wo es quasi „To-do-listenförmig“ auch nur eine Frage der Zeit ist, bis wir uns aufraffen, einen Beat picken, uns ein Thema suchen und los legen. Also das kommt jetzt auf jeden Fall auch mit der Entscheidung für die Musik und gegen die Lohnarbeit. Gibt es einfach und da wird auf jeden Fall viel kommen im Laufe der nächsten anderthalb, zwei, Jahre wird es auf jeden Fall eine Hand voll Kollaborationen geben auf die ich mich sehr freue.“ 

Album: Bitches, Butches, Dikes & Divas

„Weshalb ist das Thema „Homo“ für dich so wichtig geworden?“

„Eigentlich heißt das Thema ja „queer“. Das ist so ein bisschen auf den Homo zurück gefallen, weil ich, sozusagen in Anlehnung an dieses „No-Homo-Statement“. Also, es gibt halt diese Phrase, aus dem Rap kommend, „No-Homo“, wann immer man etwas sagt, was als Schwul gelesen werden kann. Das ist quasi so ein sprachlicher Sicherungsmechanismus, der Heterosexualität stabilisiert. Also, immer „No-Homo“ hinterher sagen, damit allen klar ist, okay, ich bin eine Hete. Und weil ich mich da auf diesen Satz, auf diese Phrase bezogen habe, habe ich „Pro-Homo“ geschrieben. Und diesen Begriff, sozusagen, stärkt bestärkt und verbreitet.

Da bin ich eigentlich gar nicht so glücklich damit, weil ich die Trennung von Hetero und Homo so ein bisschen schade finde. Weil das jetzt auch wieder in so ein binäres Ding zerfällt. So wie, es gibt halt Männer und Frauen. Nee, gibt es nicht, es gibt noch viel, viel mehr. Und es gibt halt eben nicht nur Homo oder Hetero.

Und die Bisexuellen zählen ja auf beiden Seiten nicht, weil, die sind ja in jedem Falle „Unentschlossene“, und lassen sich, irgendwann, für eine Seite in Gänze bekehren. Das finde ich schade. Also ich finde es eine Teil okay, wenn Leute sich explizit als lesbisch oder schwul bezeichnen.

Bei mir ist das anders. Ich finde, es gibt so viele Geschlechter und Selbstbezeichnungen, dass man gar nicht sagen kann, „Ich liebe gleich-geschlechtlich oder, „Ich begehre gegen-geschlechtlich.“

„Wo schreibst du, wie, am liebsten?“

„Tatsächlich, dass finde ich auch ein bisschen romantisch, ich kann tatsächlich am besten in einer vollen Kneipe mit Computer und einem Bier vor mir und vielen Zigaretten schreiben. Weil wenn ich zu Hause sitzen bin ich voll auf abgelenkt.

Und ich gehöre nicht zu den Leuten, zum mindestens phasenweise nicht, die so von sich aus nachts aufwachen, „Gottchen, ich muss jetzt sofort schreiben, sonst platz ich, weil die ganze Kunst will raus aus mir.“ So bin ich nicht. Und ich bin auch nicht so eine „Arbeiterin am Text“.

Es gibt ja so Leute, die ganz kontinuierlich, ganz pragmatisch, schreiben. Ich muss mir das manchmal auch schon ein bisschen vornehmen, tatsächlich. Aber dann läuft es auch ganz gut.

Ich habe auch jetzt gerade einen ganz guten Run. Und ich sitze, tatsächlich gerne unter Menschen, mit Tunnelblick, irgendwo an einem verrauchten Ort und trinke ein Bierchen dazu. Also das passiert. Das ist so tatsächlich der Idealfall. Das macht mir am meisten Spaß.“

„Wie kam es folglich zu dem Albumtitel: Bitches, Butches, Dikes and Divas?“

„Das sind ja vier Begriffe, die auf Weiblichkeiten, die auch von unterschiedlichen Personen, also eine Diva kann auch durch eine männliche Person performed werden. Es sind einfach vier verschiedene Formen von Weiblichkeiten, die ganz oft so nicht nebeneinander existieren dürfen. Dike und Butch sind Begriffe, die auf lesbische weibliche Personen oft angewandt werden. Und eine Dike funktioniert nicht in dem Hip-Hop Kosmos, wo Bitches negative Begriffe für bestimmte Frauen sind. Oder auch als empowernde Selbstbezeichnung von Frauen. Keine Ahnung, ob sich irgendwie eine A.J. Shanti mit einer Missy Elliot zusammen denken lässt. Eigentlich sind das total unterschiedliche Sphären.

 Ich finde es halt einfach schön, wenn man die einfach mal neben einander stellt um eine Solidarität sich darein zu wünschen oder die auch zu ermöglichen. Und das sind auch nur vier Begriffe. Eigentlich gibt es noch viel, viel mehr. Aber es war jetzt erst einmal für so einen Song und ein Albumtitel. Da triffst du irgendwie eine Auswahl. Und dann ergibt es halt diese doppelte Alliteration mit „B-B-D-D“. Und das fand ich schön. Einfach unterschiedliche Formen von Weiblichkeit solidarisch nebeneinander zu stellen und nicht zu sagen, „Wir sind alle in Konkurrenz miteinander“ Und um einem männlichen Maßstab zu gefallen oder auch nicht zu gefallen, dürfen wir halt nicht miteinander in Interaktion treten.“

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